Siegerentwurf für das neue Verwaltungszentrum auf dem Ferdinandplatz © Landeshauptstadt Dresden
Über Stadtplanung und Architektur lässt sich trefflich streiten – erst recht in Städten wie Dresden. Dort beschäftigen zwei Projekte Politik, Planer*innen und Bevölkerung: die Bebauung des Königsufers und ein neues Verwaltungszentrum. Die jeweils gewählten Beteiligungsformate bergen Chancen wie Risiken.
In meiner Heimatstadt Dresden haben wir Grüne seit vielen Jahren entsprechende Formate zur Bürgerbeteiligung gefordert. Das ist inzwischen in Satzungen verankert und wird insbesondere bei öffentlichen Großprojekten vom grün geführten Baudezernat bewusst angewandt. Die Dresdner*innen haben ein legitimes Interesse, am Bild ihrer Stadt mitzuwirken und sich damit kritisch auseinanderzusetzen. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung wird es in konstruktive Bahnen gelenkt und der Einfluss der öffentlichen Meinung auf die Entscheidungen sichergestellt.
Was steht zur Debatte?
Entscheidend ist: Vor Beginn muss für alle klar erkennbar sein, was der konkrete Gegenstand der Beteiligung ist, um im Nachhinein keine Hoffnungen zu enttäuschen. Warum das so wichtig ist, möchte ich anhand zweier Prozesse darstellen, die das Baudezernat in letzter Zeit initiiert hat:
Der städtebauliche Wettbewerb zum Königsufer mit dem angrenzenden Neustädter Markt sowie der Neubau des Technischen Rathauses am Ferdinand Platz in DresdenAltstadt.
Beide Projekte befinden sich an zentralen Orten der Innenstadt und haben für ihre umliegenden Viertel prägenden Charakter. Ihre Umgestaltung stößt damit auf großes öffentliches Interesse. Der Unter schied ist jedoch die Art, in welcher die Landeshauptstadt die Vergabe angelegt hat und welche Folgen dies für die Bürgerbeteiligung nach sich zieht.
Königsufer: Wie viel wird bebaut und in welchem Stil?
Das Königsufer liegt auf der Neustädter Seite, gegenüber der wiederaufgebauten Dresdner Altstadt-Silhouette. Seit der Zerstörung am 13. Februar 1945 fehlt das Neustädter Pendant. Die Ufergrundstücke blieben unbebaut, wurden unter anderem zum Parken und für Caravan-Tourismus genutzt. Da sich die Bauanfragen für diese Innenstadtlage häuften, wurde die Landeshauptstadt Dresden aktiv: Dieses Gebiet soll in einem mehrstufigen städtebaulichen Verfahren mit Bürgerbeteiligung Bebauungsplanreif entwickelt werden.
Zur Debatte stand nicht die Art der Nutzung, sondern Umfang und Gestaltung einer neuen Bebauung. Es wurde ein offener städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgelobt, an dem sich 28 Architekturbüros aus allen Teilen Deutschlands beteiligten. Der Wettbewerb war in zwei Phasen angelegt: Die zwei „Bürgerwerkstätten“ standen allen Interessierten offen. Ihre Anregungen wurden in die Verfahren aufgenommen und in sogenannten „Bürgerblicken“ im Rathaus ausgestellt.
Durch dieses mehrstufige Verfahren konnte sich die Stadtgesellschaft aktiv in das Verfahren einbringen und die allgemeinen Leitlinien mit formulieren. Auf der anderen Seite bekamen die Architekturbüros die Gelegenheit, die Wünsche und Erwartungen der Dresdner*innen zu verstehen und umzusetzen. In jeder Phase der Bürgerbeteiligung wurden Einwände, Hinweise und Wünsche der insgesamt 1.000 Teilnehmer*innen systematisch gesammelt, ausgewertet und beraten. So war ein Ergebnis, dass die Bebauung nur bis an die Grenze der historischen Häuserzeile heranreichen darf und die Elbwiesen erhalten bleiben. Um die Bürgerschaft auch in die Entscheidung der Wettbewerbsjury am Ende einzubeziehen, wurden zwei Plätze des Preisgerichts per Los an interessierte Bürger*innen vergeben.
Prozess war ein großer Erfolg
Mehr als 2.000 Bürger*innen haben aktiv mitgemacht. Ein solches Verfahren bietet große Transparenz, belohnt bürgerliches Engagement mit Einfluss und fördert die Zufriedenheit einer Stadtgesellschaft mit ihren Neubauten. Auch viele Mitarbeiter*innen des Stadtplanungsamtes erlebten die direkte Diskussion mit Bevölkerung als Bereicherung.
Es gibt aber auch Nachteile, so binden Organisation und Durchführung der Bürgerbeteiligung in der Stadtverwaltung zusätzliche Kräfte und Haushaltsmittel. Außerdem können in einem solchen, bewusst offenen Verfahren gut organisierte Gruppen mehr Einfluss nehmen als andere, eher passive Teile der Stadtgesellschaft, die auf ihre gewählten Repräsen tanten vertrauen. Diese Interessen müs sen im Verfahren bewusst ausgeglichen werden. Im konkreten Fall war das Ergebnis, dass sich (weitgehend) historisierende Entwürfe durchgesetzt haben. Vielleicht nicht zur Freude der Freunde moderner Architektur in Rat und Gesellschaft – aber das ist Demokratie.
Neubau des Technischen Rathauses am Ferdinandplatz
Im Gegensatz dazu entschied sich die Landeshauptstadt Dresden beim Neubau des Technischen Rathauses am Ferdinandplatz für eine Vergabe im Rahmen eines wettbewerblichen Dialogs. Es eignet sich besonders bei Projekten mit großem Auftragsvolumen – hier geht es um 130 Millionen Euro. Bisher über das Stadtgebiet verteilte Behörden und Ämter sol len an einem zentralen Ort bürgerfreundlich gebündelt werden. Der neue Standort direkt neben dem historischen Rathaus ist für das Stadtbild prägend.
Ausgewählte Architekturbüros wurden benannt, um mit der Stadtverwaltung die städtischen Planungszielen zu erarbeiten. Die Exklusivität des wettbewerblichen Dialogs zwischen Verwaltung, Stadtrat und den Architekturbüros stellte für die Bürgerbeteiligung eine formale Barriere dar, zumal das Verfahren juristisch einwandfrei durchzuführen ist. Die rechtlich bindende Entscheidung liegt einzig bei der Jury. Sie setzt sich aus Mitgliedern der Stadtverwaltung und des Stadtrates zusammen.
Hier konnten die Dresdner*innen also während des laufenden Dialogs keinen direkten Einfluss auf die Gestaltung nehmen, sondern erst am Ende des Prozesses: in Form eines Online-Meinungsbildes über die finalen Entwürfe. Das geschah vor der abschließenden Jury-Sitzung im Rahmen einer zweiwöchigen Online-Befragung. Die Teilnehmer*innen konnten Kriterien wie Größe, Form, Fassade und Gesamtbild auf einer Skala zwischen eins und fünf bewerten. Ein Eingabefeld für Hinweise ermöglichte ihnen, eine differenzierte Haltung ein zunehmen. Im Ergebnis der Bürgerbeteiligung entschieden sich 60 Prozent für eine der beiden Lösungen. Insgesamt hatten sich 5.875 Personen beteiligt.
Nicht unproblematisch war bei dieser Form der Bürgerbeteiligung ihr formal unverbindlicher Charakter, da das öffentliche Meinungsbild lediglich eine Empfehlung darstellt. Die tatsächliche Entscheidung oblag weiterhin den Mitgliedern der Jury. Ein vom Meinungsbild abweichendes Votum wäre öffentlich allerdings schwer vermittelbar gewesen. Die Jury entschied sich am Ende knapp für den auch in der Bürgerbeteiligung favorisierten Entwurf.