Interview aus der Leipziger Volkszeitung vom 11.10.2022
Der grüne Landtagsabgeordnete Thomas Löser und der sächsische Eigentümer-Verbandschef René Hobusch sehen hohe Wohnkosten als großes Problem an – aber sind sich uneinig über einen möglichen Ausweg.
Leipzig. Seit dem 13. Juli gilt sie in Sachsen – und polarisiert gleichzeitig alle Beteiligten: die Mietpreisbremse. Vermieter dürfen seither bei Neuvermietung nur eine Miete fordern, die höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Während sie aber für Thomas Löser, Landtagsabgeordneter für die Grünen, ein sinnvolles, preisdämpfendes Werkzeug ist, warnt René Hobusch, Präsident des Landesverbandes Sachsen Haus & Grund, vor den Folgen für private Vermieter.
Herr Löser, warum sind Sie für die Mietpreisbremse?
Laut einer bundesweiten Regelung kann sie in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt eingeführt werden. Und den haben wir in Dresden und Leipzig.
Wie definieren Sie einen angespannten Wohnungsmarkt?
Löser: Es gibt bestimmte objektive Kriterien, an denen das festgemacht werden kann. Etwa, wie stark war der Mietenanstieg der vergangenen Jahre.
Wie sieht das in Zahlen aus?
Löser: In Dresden sind die Mieten in den vergangenen zehn Jahren um rund 30 Prozent gestiegen …
René Hobusch: … bei Zahlen bin ich vorsichtig. Es ist ein Unterschied, ob man auf die Bestands- oder die Angebotsmieten schaut. Im Übrigen sind in Dresden und Leipzig die Einkommen in dem von Ihnen genannten Zeitraum stärker gestiegen als die Mieten. Aber ich wollte Sie nicht unterbrechen.
Löser: Das haben Sie aber getan. Hier ein paar Zahlen für Leipzig. 2011 lag die Durchschnittsmiete bei 5,37 Euro je Quadratmeter, 2021 waren es 8,31 Euro, aktuell sind es 9,13 Euro. Das sind deutliche Indikatoren für stark kletternde Mieten.
Hobusch: Die Zahlen müssen wir noch mal einem Faktencheck unterziehen.
Gibt es noch andere Indizien?
Löser: Die Leerstandsquote spielt ebenfalls eine Rolle. In Dresden beträgt sie ungefähr drei Prozent, in Leipzig ist sie sogar darunter. Ein weiterer Punkt ist, dass in einem angespannten Wohnungsmarkt zu wenig gebaut wird. Diese Indikatoren sind die Grundlage für die Einführung der Mietpreisbremse. Auch die Stadträte von Dresden und Leipzig waren für die Bremse. Das ist ein klarer politischer Wille.
Herr Hobusch, was haben Sie den Argumenten entgegenzusetzen?
Hobusch: Für mich steht fest, dass die vom Land genannte Begründung nicht überzeugt und es nur darum ging, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Eine Mietpreisbremse ist keine politische, sondern eine rechtliche Frage. Wenn wie in Leipzig rot-rot-grüne Stadträte die Einführung fordern, ist dies das Eine. Ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, ist aber eine ganz andere Sache.
Wie schätzen Sie den Wohnungsmarkt in Leipzig ein, Herr Hobusch?
Hobusch: Er ist hier erstmals seit etwa zehn Jahren in einer Situation, in der er nicht mehr kränkelt. Wir kommen von mehr als 20 Prozent Leerstand. In den frühen 2000er-Jahren gab es über 60.000 leer stehende Wohnungen. Der vermietbare Wohnungsbestand liegt nach unserer Beobachtung bei etwa fünf Prozent des Gesamtangebots. Deshalb Herr Löser: Ihre Zahlen stimmen nicht.
Löser: Natürlich ist die Mietentwicklung eine politische Frage. In Dresden wie in Leipzig gibt es bei der Neuvermietung Fälle, ich will das nicht verallgemeinern, …
Hobusch: … mit der Mietpreisbremse verallgemeinern Sie aber.
Löser: Nein. Wir haben eine gesetzliche Regelung in Kraft gesetzt, die ausschließt, dass schwarze Schafe im Wohnungswesen übermäßig Rendite machen. Gestatten Sie mir einen Hinweis: Die Bremse besagt, dass man bei Neuvermietungen immer noch bis zu zehn Prozent über dem Mietspiegel liegen darf, nur nicht darüber hinaus. Ich kenne eine ganze Menge Fälle, wo attraktive Wohnungen in guten Lagen am Ende für horrend mehr Miete weggehen. Genau da ist die Mietpreisbremse ein wirksames Instrument.
Hobusch: Sie schütten das Kind mit dem Bade aus. Ich will gar nicht bestreiten, dass es schwarze Schafe gibt. Im von der Stadt Leipzig erstellten Mietspiegel liegt die Durchschnittsmiete bei knapp 6 Euro im Bestand. Selbst wenn der Vermieter die erlaubten zehn Prozent bei der Neuvermietung draufpackt, ist er überhaupt nicht in der Lage, auch nur einen Cent in seine Wohnungen zu investieren.
Löser: Einspruch, Euer Ehren. Wenn eine Wohnung saniert wird, kann die Miete unabhängig von der Bremse erhöht werden. Es ist also nicht gesagt, dass dann keine Investitionen mehr stattfinden können. Nebenbei: Laut mir vorliegenden Zahlen liegen in Leipzig 60 Quadratmeter große Wohnungen im Mittel bei 8,54 Euro. Die Bremse ist eines von mehreren Instrumenten, die wir anwenden, um die Mietpreise zu dämpfen. Wir haben zum Beispiel die Kappungsgrenzenverordnung verlängert, wonach Mieten in drei Jahren um nicht mehr als 15 Prozent erhöht werden dürfen.
Hobusch: Es geht nicht darum, im großen Stil zu sanieren. Wir haben einen Zielkonflikt zwischen energetischen und umweltpolitischen Anforderungen an den Wohnungsbau und Mieten, mit denen die erforderlichen Investitionen nicht zu stemmen sind. Zugleich soll der Wohnungsmarkt sozial sein, damit Wohnen nicht zum Luxusgut wird.
Ist es das nicht schon zum Teil?
Hobusch: Nein. Aber wenn die Anforderungen an Energie und Technik immer höher werden, dann steigen die Kosten für den Betrieb einer Wohnung. Die Vorstellung in großen Städten, es gebe einen dauerhaft zementierten Mietpreis mit Stuck, Parkett, Einbauküche und das möglichst in der Innenstadt, ist ein Zerrbild.
Löser: Was Sie jetzt beschreiben, ist der Zustand von vor 15 Jahren.
Hobusch: Die vielen privaten Vermieter bewegen sich um den Mietspiegel herum, erhöhen im Gegensatz zu kommunalen oder genossenschaftlichen Gesellschaften die Mieten kaum. Mit der Mietpreisbremse werden diese sehr sozial engagierten Kleinvermieter bestraft.
Aber es gibt doch schwarze Schafe.
Hobusch: Ja, aber getroffen werden die Kleinvermieter. Sie haben keine Lust mehr, der Buhmann zu sein. Viele wollen verkaufen. Und wer kauft? Die, die spekulieren, wegen denen Sie solche Verordnungen erlassen, Herr Löser. So wird der Wohnungsmarkt unsozialer.
Herr Löser, sind für Sie alle Vermieter Ausbeuter und/oder Spekulanten?
Löser: Nein, natürlich nicht. Es gibt, wie überall in der Gesellschaft, solche und solche. Es gibt eben auch Vermieter, die die Möglichkeiten gnadenlos ausnutzen. Um die geht es. Da ist dann die Politik gefordert. Nebenbei: Die Mietpreisbremse ist nicht für alle Ewigkeit bestimmt. Aber jetzt ist sie sinnvoll.
Herr Hobusch, gibt es nicht ein soziales Grundbedürfnis nach bezahlbaren Mieten?
Hobusch: Es herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass bei einer Belastung von höchstens 30 Prozent des verfügbaren Einkommens von einer noch angemessenen Miete gesprochen wird. Diese Grenze ist weder in Dresden noch in Leipzig überschritten. In den frühen 2000er-Jahren, als die Kaltmiete günstiger war, war die Belastung höher als jetzt, lag bei 35 Prozent in Leipzig. Vom Nettoeinkommen bleibt nach Abzug der Miete heute mehr übrig als damals.
Löser: Das Problem ist, dass die Preise in allen Bereichen nach oben gehen. Deshalb ist die Frage nach einer fairen Miete berechtigt. Sie sollte in der Tat bei nicht mehr als 30 Prozent liegen. Generell gilt: Wir bauen zu teuer. Die Diskrepanz zwischen dem, was im Neubau aufgerufen wird, und dem, was die Menschen bezahlen können, wird größer. 14 Euro je Quadratmeter – und das wird immer häufiger aufgerufen – kann sich keine normale Familie leisten. Die Baupreise steigen stark. Ich wage die Prognose, dass die laufenden Baustellen noch beendet werden, aber im Neubausegment werden viele Vorhaben zum Erliegen kommen. Deshalb greift das Argument nicht, es müsse mehr gebaut werden.
Der Bund hat sich zum Ziel gesetzt, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen auf den Markt kommen.
Löser: Das ist leider vollkommen außerhalb jeder Realität.
Hobusch: Die Neubautätigkeit wird messbar zurückgehen. Dennoch, jede neu gebaute Wohnung hilft dem Markt. Bei 400.000 Wohnungen, die neu kommen sollten, reden wir von einem Prozent des Bestandes. Die neuen Mieter hochpreisiger Wohnungen in Leipzig kommen zu zwei Dritteln nicht von auswärts, sondern ziehen in der Stadt um. Dadurch werden im niedrigeren Segment wieder Wohnungen frei. Also: Bauen hilft.
Angesichts der Energiepreisentwicklung dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Nebenkosten die Miete übersteigen. Sollten Vermieter ihre Mieter entlasten?
Hobusch: Wir erleben derzeit, dass unsere Mitglieder massenhaft Kündigungen von ihren Versorgern erhalten. Da werden private Vermieter plötzlich als Gewerbekunden eingestuft und sollen das Fünffache der bisherigen Abschläge zahlen und mehr. Das muss zunächst der Vermieter stemmen. Die Anpassung der Abschläge darf er nur machen, wenn er eine Abrechnung vorlegt. Das heißt: Die 2023 anfallenden höheren Abschläge kann er erst anderthalb Jahre später geltend machen. Da brauchen wir kurzfristig eine Regelung, um die deutlich gestiegenen Abschläge rasch weitergeben zu können. Sonst werden viele Vermieter in die Knie gezwungen.
Löser: Aus Sicht des Mieters geht es um das Gesamtpaket aus Miete und Nebenkosten. Für ihn ist es deswegen wichtig, dass zumindest bei der Kaltmiete preisdämpfende Elemente vorhanden sind.
Hobusch: Wir sollten nicht vergessen, dass wir im bundesweiten Vergleich auch in Dresden und Leipzig immer noch günstige Mieten haben.
Von Ulrich Milde und Ulrich Langer
Zur Person: Thomas Löser
Thomas Löser ist seit 2019 Mitglied des Sächsischen Landtages. Er holte im Wahlkreis Dresden 5 das Direktmandat für die Grünen. Er ist Gymnasiallehrer für Geschichte und Kunst und lebt in Dresden.
Zur Person: René Hobusch
René Hobusch ist Präsident des Landesverbandes Sachsen des Eigentümerverbandes Haus & Grund. Er lebt in Leipzig, arbeitet als Rechtsanwalt und war mehrere Jahre für die FDP im Stadtrat.
Stichwort Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse war im Koalitionsvertrag in Sachsen zwischen CDU, Grünen und SPD 2019 vereinbart worden. Sie ist seit dem 13. Juli 2022 in den beiden Städten Leipzig und Dresden in Kraft. Sie besagt, dass Vermieter bei Neuvermietung nur eine Miete fordern dürfen, die höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Die Bremse gilt nicht flächendeckend, sondern nur in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten. Ob das so ist, wird vom Land festgestellt.